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Wartturm in Gelnhausen

  • Beitrags-Kategorie:Unterwegs

Anfang März waren wir zu einer kleinen Runde am Wartturm in Gelnhausen unterwegs. Da mir der Turm bis dato auch nicht bekannt war und ich die Geschichte des im Mittelalters errichteten Wartturm sehr interessant finde, wollte ich euch gerne mehr über diesen Turm erzählen.

Der Gelnhäuser Wartturm ist Teil eines Warten-Systems, das im Hochmittelalter Gelnhausen und die Wetterau von möglichen Angreifern schützte. Von diesem massiven, aus Sandstein erbauten Rundturm, wurde ein Teil der Handelsstraße überwacht.

Früher, als die Berge nach nicht bewaldet, sondern von Weinbergen bewachsen waren, konnte man den Wartturm schon von weitem sehen. Die Sichtachse von der Bergkuppe zum Buttenturm war natürlich frei. Da hier Wein angebaut wurde, lag die Bepflanzung niedrig. Im Laufe des letzten Jahrhunderts, nach der Einstellung des Weinbaus, hat sich die Natur das Gelände und Teile des Turms zurückerobert.

Das Bauwerk hat viele Höhen und Tiefen erlebt. Gelnhausen wurde schon bald nach seiner Gründung im Jahr 1170 von einem Mauerring umgeben. Nur hinter Schützenden Mauern war ein Leben in Ruhe und Frieden möglich. 1476 erhielt die Stadt von Kaiser Friedrich III, die Erlaubnis, Mauern und Türme der Befestigungsanlage zu erneuern. Damals wurden sämtliche Tortürme umgebaut.

Der Buttenturm wurde Aufzeichnungen zufolge bereits um 1400 als der „Alte Turm“ bezeichnet. Seinen Namen erhielt er, weil seine Form der einer Weinbutte, einem Halbkreisförmigen, auf dem Rücken zu tragenden Fass zur Weinlese, ähnelt. Er ist älter als der zweite Mauerring und stand damit ursprünglich einmal weit draußen vor der Inneren Stadtmauer. Im Stadtarchiv wird das Jahr 1328 als Datum für die Erbauung des Buttenturms ernannt. Von diesem Turm war eine Sichtverbindung mit dem weit oberhalb der Mauer stehenden Wartturm möglich. Die Erbauungszeit des Wartturms muss also um das Jahr 1300 liegen.

Von hier konnte die Annäherung von Feinden aus nordwestlicher Richtung rechtzeitig von den Wächtern auf dem Wartturm an den Buttenturm signalisiert werden. Aber auch Waldbrände wurden so von außerhalb Richtung Stadt gemeldet. Eine weitere Sichtachse gibt es vom Buttenturm zum Turm der Marienkirche. Ob Warnsignale vom Wartturm und/oder Buttenturm auch bis zur Bergkirche in Niedergründau und zur Ronneburg weitergegeben werden konnte, darüber liegen bislang keine gesicherten Aufzeichnungen vor.

Der Wartturm, einer von neun noch erhaltenen Toren und Türmen der Stadt, hat nicht nur den Dreißigjährigen Krieg überstanden, sondern auch den Zweiten Weltkrieg – und die danach folgende Isolation durch seinen Standort auf dem Kasernen-Gelände. Die Kaserne aus den 1930er Jahren wurde nach dem Krieg von der US-Armee besetzt und ausgebaut. Spaziergänger kamen nicht einmal mehr in die Nähe des Turmes, dies war erst nach dem Abzug der US-Truppen wieder möglich.

Wie der Turm ursprünglich ausgesehen hat, ob er niedriger war und ob die Eingangssituation in früheren Zeiten ganz anders aussah – darüber lässt sich mangels historischer Unterlagen nur spekulieren. In eine der Zinnen ist die Jahreszahl 1877 eingehauen, was darauf hindeuten könnte, dass der Turm in diesem Jahr renoviert wurde und dann möglicherweise auch die Zinnen hinzugekommen sind.

Anfang 2023 ist der Wartturm grundlegend saniert worden, damit er auch für die Zukunft erhalten bleibt. Der Turm hat eine neue Eingangstreppe aus Sandstein erhalten, die Fassade und die Innenwände wurden mit einem Glattstrich versehen, die Fenster und Zinnen wurden mit einem Fallschutz ausgestattet.

Auf dem Weg zum Wartturm waren wir zu Fuß in unserer Kreisstadt Gelnhausen unterwegs. Dabei bin ich auf ein Straßennamensschild aufmerksam geworden, an dem ein zusätzliches Schild mit Informationen der Namensvergabe dieser Straße befestigt war. Das hat mich neugierig gemacht und so wurde zu Hause erst einmal recherchiert, was es damit auf sich hat.

Die besagte Straße, mit dem Namen Struppstraße wurde nach Elisabeth Strupp benannt. Elisabeth war die Ehefrau des Gelnhäuser Pfarrers Johannes Strupp. Sie wurde am 3. August 1599 in Gelnhausen als Hexe hingerichtet.

Barbara Scherer, eine Hausfrau, die ebenfalls als Hexe hingerichtet wurde, hatte sie denunziert. Im Hexenprozess wurde Elisabeth Strupp zu Unrecht beschuldigt, einen Teil des Kirchenschatzes entwendet zu haben. Ankläger war der Gelnhäuser Bürgermeister Johannes Koch. Es wird überliefert, dass Elisabeth Strupp die Hexenverfolgung kritisierte und damit in Opposition zum Bürgermeister stand. Am 3. August 1599 wurde sie enthauptet, was als „Gnade“ gegenüber der sonst üblichen Verbrennung gesehen wird.

Ab 1992 begann auch die Gelnhausen Kirchengemeinde sich mit ihrem Anteil der Geschichte auseinanderzusetzen. 1998 bildete sich ein Arbeitskreis, um des 400. Todestag des bekanntesten Opfers des Gelnhäuser Hexenwahns angemessen zu gedenken. Die Künstlerin Fanna Kolarova konnte einen Wettbewerb für ein Denkmal für sich entscheiden. Sie entwarf ein Denkmal, das aus einem zwei Meter hohen Metallring besteht, der die Tanzbewegungen einer Frauenfigur begrenzt, die versucht aus dem Gefängnis des Rings auszubrechen. Der Körper der Figur ist einem endlosen Vierkantstahl geformt. Das Denkmal wurde ist dem Westportal der Marienkirche platziert.

Da musste ich natürlich nochmal nach Gelnhausen reisen und mir das Denkmal anschauen.

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Rosa Henne

    Liebe Claudia,
    was für Geschichten… Finde ich immer sehr interessant. Ebenso diese Warttürme. Bei der Hexenverfolgung läuft es mir immer kalt den Rücken runter. Das Denkmal von Fanna Kolarova finde ich gut und auch wichtig!
    Vielen herzlichen Dank auch für deine Genesungswünsche, ich hoffe, dir geht es gut!
    Liebe Grüße
    Ingrid

    1. Claudia

      Die Hexenverfolgung war schon sehr grausam, solche Geschichten beschäftigen mich auch immer sehr.
      Danke dir und liebe Grüße,
      Claudia

  2. nina wippsteerts

    Heimatgeschichte ist oft so interessant! Zumal, wenn die Besiedlung schon sehr lang her ist. Wein“berge“ statt Wald. Türme die durch starken Waechstum eines Ortes plötzlich innerhalb von Mauern stehen, Hexenverfolgung wo man gar nicht mit gerechnet hat….
    Das Denkmal gefällt mir besonders gut, Danke Dir auch, dass Du uns mitgenommen hast
    Liebe Grüße und guten Wochenstart
    Nina

    1. Claudia

      Ja, das finde ich auch und ich mag diese Geschichten total gerne.
      Dir auch eine gute Woche und liebe Grüße,
      Claudia

  3. mano

    schön, dass du hier an die hexenverbrennungen erinnerst und gut, dass sich die kirchengemeinde damit auseinandersetzt.
    in gelnhausen war ich zwei, dreimal auf der durchreise, aber immer nur zum eisessen ;)! das nächste mal sollte ich mir mehr zeit nehmen! dein bericht über die warte klingt sehr interessant, solche warten kenne ich auch von anderen orten, aber diese hier ist besonders imposant.
    liebe grüße von mano

    1. Claudia

      Gutes Eis gibt es da auf jeden Fall 🙂 Gelnhausen ist schon ein schönes Städtchen, vor allem die Altstadt mit den kleinen verwinkelten Gassen.
      Danke und liebe Grüße,
      Claudia

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