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Staden – Das Klein-Venedig der Wetterau

  • Beitrags-Kategorie:Unterwegs

Anfang März war ich in Staden unterwegs, eine kleine Ortschaft mit knapp 800 Einwohnern. Staden liegt ca. 30 km nordöstlich von Frankfurt am Main in der Wetterau.

Auf den ersten Blick ist Staden kein schönes Dorf. Wenn man aber von der Bundesstraße 275 in den alten Ortskern abbiegt, erkennt man sofort, dieser Ort hat einiges zu erzählen.

Gleich auf der linken Seite erblickt man eine Parkanlage, sowie das Löw’sches Schloss. Johann Friedrich Ferdinand Freiherr von Löw ließ 1786 ein dreistöckiges massives Steinhaus mit Mansardendach – unter Einbeziehung der noch bestehenden Stadtmauer – direkt neben dem südlichen Obertor bauen. Das Löw’sche Schloss, auch „Herrenhaus“ genannt, erhielt nach und nach den Betrieb eines Hofguts mit entsprechenden Wirtschaftsgebäuden. 1903 erwarb die Stadt Staden das Schloss und den Park, Das Gebäude wurde für Schulräume, Lehrerwohnungen und Wohnungen für Stadener Bürger genutzt. Im zweiten Weltkrieg wurde das Schloss in Brand geschossen, es blieben nur die Außenmauern stehen. 1948 begann der Wiederaufbau des Innenbereichs und aus dem ehemaligen Mansardendach wurde ein Walmdach. Das Gesindehaus (bis 1888), ein Anbau des Schlosses, wurde abgetragen und ein dreistöckiges Wohngebäude errichtet. 1973 wurde die untere Etage zum Bürgerhaus umgebaut.

Rechts, hinter den Bäumen, die evangelische Kirche, die zur Zeit saniert wird. Die Kirche von Staden hat mehrere Vorgängerkirchen. 1156 wurde erstmals eine Kapelle erwähnt, die sich in einer ersten kleinen Burganlage, einer Stauferburg, befand. 1336 wurde mitten im Ort eine Kirche erbaut. Erasmus Alberus übernahm 1543/44 die Pfarrstelle in Staden/Stammheim und führte hier den evangelischen Glauben ein. Er gilt neben Luther und Melanchton als einer der großen Reformatoren im 16. Jahrhundert. 1797 wurde die Kirche wegen Baufälligkeit abgerissen. Die Stadener Bevölkerung besuchte daraufhin vier Jahre lang die Kirche in Stammheim (Nachbarort), bis ein Betsaal im Löw’schen Schloss eingerichtet wurde.Da zwischen weltlicher und kirchlicher Gemeinde Uneinigkeit über den Bau bestand, dauerte es lange, bis ein neues Kirchenhaus erbaut wurde. Die Grundsteinlegung erfolgte am 3. Mai 1831. 1837 konnte dann die neue Kirche feierlich eingeweiht werden.

Es geht weiter die Parkstraße entlang, direkt auf das Ysenburger Schloss zu. Das Ysenburger Schloss wurde von Reichsritter Herrmann von Carben um 1574 auf den Resten einer ehemaligen Burganlage, der sogenannten Vorburg, erbaut. Die südliche Mauer des heutigen Gebäudes ist Teil der Burgmauer.

Nachdem Emmrich Adolph von Carben im Jahr 1729 ohne Nachkommen gestorben war, stritten die Ganerben Ysenburg-Büdingen, von Löw und Burg Friedberg gerichtlich um eine gerechte Teilung. 1788 gelangte der im Renaissancestil erbaute Herrensitz durch die in der Ganherrschaft Staden geregelte Erbfolge in den Besitz der Grafen Ysenburg-Büdingen. Hierdurch erklärt sich der noch heute genutzte Name des Schlosses.

Am Schloss Ysemburg entschließe ich mich erst einmal weiter der Parkstraße zu folgen und komme zu dieser Brücke.

Diese mit Fachwerk gestaltete Brücke wird im Volksmund „Seufzerbrücke“ genannt. In der Mitte befindet sich ein kleiner polygonaler Pavillion. Die Brücke wurde vermutlich im Jahr 1684 auf Holzpfählen über den Mühlbach gebaut und führt vom dem südlich gelegenen Fachwerkhaus, das einige Zeit als Gerichtsgebäude diente, zu einem kleinen Gärtchen zwischen Mühlbach und den Resten eines Stadtturms, dem sogenannten Kerker.

An der östlichen Rückwand des Hauses befindet sich ein weiterer Stadtturm, der Knebelturm. Es gibt zwei Erklärungen für die Bezeichnung „Seufzerbrücke“. Die eine nimmt an, dass die überbaute Brücke einst ein herrschaftliches Lusthaus war, die zweite meint, dass die Verurteilten mit einem Seufzer – auf ihrem Gang zum Kerker – diese Brücke überquerten. Südwestlich außerhalb der Ortslage von Staden, befand sich der Galgen. Wegen seiner vielen Brücken wird Staden auch „Klein Venedig“ der Wetterau genannt.

Ich befinde mich hier fast am Ortsausgang, drehe um und gehe zum Ysenburger Schloss zurück. Ich möchte mir noch den unteren Teil der Parkanlage anschauen.

Mein Weg führt mich an diesem Turm vorbei. Eines der markantesten Gebäude der noch verbliebenen Wehranlage der früheren Burg. Er wurde im 15. Jahrhundert als Torturm erbaut und im 16. Jahrhundert wahrscheinlich zum Wohnturm umgestaltet. Der Torturm hat eine Grundfläche von 9 x 9,30 m und ist 22 Meter hoch. Über eine Zugbrücke, die über den Mühlgraben führt, wurde Zugang zu der ehemaligen Burg gewährt.

Noch ein kleines Stück am Mühlbach entlang …

dann komme ich zum unteren Teil der Parkanlage.

Johann Friedrich Ferdinand Freiherr von Löw stand als königlich-großbritannischer Ober-Kammerherr in englischem diplomatischem Dienst. In England lernte er Landschaftsgärten kennen. Aus gesundheitlichen Gründen quittierte er den Dienst und kehrte als Ganerbe nach Staden zurück. Nach dem Bau des Herrenhauses wurde der im Stil eines englischen Landschaftsgarten angelegten Park unter seiner Regie begonnen und bis zur Nidda ausgedehnt. Die Anlage wurde 1904 als erster deutscher Park vom Großherzoglichen Kreisamt Friedberg unter Denkmalschutz gestellt.

Die Parkanlage hat einen wunderbaren alten Baumbestand. Ich werde sicher in ein paar Wochen noch einmal dort vorbeischauen und ein wenig mehr vom Park zeigen.

Ein Blick auf die Nidda … Ich setze meine Weg erst mal an der Nidda entlang fort.

Dieses Storchenpaar hat sich auf einem Strommast sein Nest gebaut, ich beobachte sie eine Zeitlang.

Inzwischen bin ich wieder am Ortausgang angelangt. Mein Blick fällt auf einen Turm.

Stadens erste Wasserburg befand sich neben der Nidda an der alten Straße nach Bingenheim-Echzell. Urkundlich erwähnt wurde die Burg erstmals 1156, als ihre Erbauer Ortwin von Büdingen und seine Frau Hedwig, die Burg dem Kloster Fulda zu Lehen auftrugen. Ursprünglich war die Burg mit Mauern und Türmen befestigt und umgeben von einem Wassergraben und der Nidda. Über eine Zugbrücke gelangte man in die Burganlage. Heute steht nur noch dieser Turm und ein Rest der alten Burganlage.

Mit dem Storch verlasse ich Staden.

Dieser Beitrag hat 11 Kommentare

  1. Ein schöner Spaziergang durch dieses altertümliche Städtchen mit altem Gemäuer und Fachwerk, liebe Claudia…den fliegenden Storch hast du wunderbar eingefangen und auch der Stamm des Baumgiganten ist sehr eindrucksvoll.
    Einen gemütlichen Sonntag wünsche ich dir – lieben Gruß von Marita

    1. Claudia

      Dankeschön. Ja, der Baumstamm hat mich auch sehr begeistert.
      Liebe Grüße,
      Claudia

  2. Bienenelfen

    Liebe Claudia,

    danke für die Vorstellung des kleinen Ortes Staden. Nein, da war ich noch nie…..die Seufzerbrücke ist ja toll. Ich bin ja ein großer Fan von Fachwerken. An der Nidda brüten glaube ich viele Störche und idyllisch sieht es dort auch aus.

    Liebe Grüße
    Kerstin und Helga

    1. Claudia

      Die Seufzerbrücke hat was, mir gefällt sie auch. Dort gibt es sehr viele Störche und auf der anderen Seite nochmal ein großen Brutgebiet. Ich bin da gerne unterwegs.
      Liebe Grüße,
      Claudia

  3. nina wippsteerts

    Danke für Deine ausführliche Führung des hübschen Ortes. Seufzerbrücke, ich muss natürlich an Venedig denken (wo der Ort sich doch auch Klei Venedig nennt) aber schön ist die Brücke! Schön, wie der Ort die Geschichte integriert und bestimmt wird de4r und erneute Besuch im Park jetzt sehr grün
    Hab eine gute Woche und sende liebe Grüße
    Nina

    1. Claudia

      Das hoffe ich, ich denke aber schon.
      Dir auch eine schöne Woche und liebe Grüße,
      Claudia

  4. Elke

    Liebe Claudia,
    danke für die Mitnahme auf deinen Spaziergang. Natürlich hat mich der Titel „Klein-Venedig“ sofort angesprochen. Was du zeigst, ist einerseits schon interessant, andererseits doch etwas enttäuschend. Da haben die Verfasser des Büchleins den Mund doch etwas zu voll genommen. Aber vielleicht sieht alles nochmal eine Spur reizvoller aus, wenn die Sonne scheint und alles grünt und blüht. Ich werde mir den Ort jedenfalls mal merken.
    Herzliche Grüße – Elke

    1. Claudia

      Liebe Elke,
      am Schönsten ist es dort an der Nidda. In ein paar Wochen werde ich mir den Park nochmal anschauen, mal schauen, wie der sich dann verändert hat.
      Danke und liebe Grüße, Claudia

  5. mano

    man kann kaum glauben, dass so ein kleiner ort so viele interessante bauwerke enthält und so eine spannende geschichte hat. die brücke ist wirklich bezaubernd und der turm und das kleine haus an der stadtmauer gefallen mir besonders gut, weil sie durch die unterschiedlichen baustoffe so bunt aussehen. ob es beim bau zu wenig material einer sorte gab?
    danke fürs mitnehmen, auf einen parkspaziergang dort freue ich mich schon.
    liebe grüße von mano

    1. Claudia

      Ja, ich war auch sehr überrascht, als ich Chronik gelesen habe. Auf den Spaziergang im Park freue ich mich auch. Ich werde berichten 🙂
      Danke und liebe Grüße, Claudia

  6. Rosa Henne

    Liebe Claudia,
    dein Spaziergang durch Klein-Venedig hat mir sehr gut gefallen, am besten das Löw‘sche Schloss und der alte Torturm. Aber auch an die Nidda bin ich gerne mitgekommen. Die Störche und den alten Baum hast du ebenso wunderschön festgehalten.
    Liebe Grüße
    Ingrid

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